»Ein spannendes Museumskonzept, das die Ausgrabung archäologischer Funde wieder erfahrbar macht und Ausstellungsbesucher zu Zeitreisenden werden lässt.« Simon Neßler
Neuentwurf für das zukünftige Museumsareal.
Istzustand: Ein Unort. Der Stadtteil Petershausen tut sich schon seit Jahren schwer in den Köpfen der Konstanzer anzukommen. In seinem Vorgarten liegen die Grundmauern einer alten Klosteranlage, mitsamt einer riesigen Basilika. Es galt das Verborgene wieder sichtbar zu machen und ihm eine räumliche Fassung zurückzugeben.

Die bisherigen Bemühungen, das Quartier zu verändern, tragen wenig Früchte. Es stellt sich das Gefühl ein, dass es nicht ausreicht den Ort nur aufzuhübschen, oder interessanter zu gestalten und dahingehend zu hoffen, dass er angenommen werden wird – nein, Petershausen braucht ein Ereignis, eine Initialzündung; ein Spektakel, das das Podiumslicht der Stadt auf die nördlich gelegene Seerheinseite fallen lässt. 

Einer der Schlüsselplätze ist für uns das Innenhofareal des archäologischen Landesmuseums. Es ist der Stadt zugewandt, in seiner derzeitigen Ausformulierung allerdings introvertiert und verschlossen. Der Bereich bietet kein Aufenthaltspotential und unterbindet mit seiner verwilderten – nicht erschlossenen – Vegetation das Fließen von Besuchern. Dieser Platz sollte wieder aktiviert werden und eine neue städtebauliche Fokussierung erhalten.
Wenn wir ins Museum gehen, geht es uns allen gleich: Wir bestaunen die Jahrtausende alten Schätze; bewundern ihre Kunstfertigkeit, die Spuren der Zeit an ihnen, ihre historischen Bezüge und das warme Glühen vergangener Tage.

Dabei erzählt ein jedes Ausstellungsexponat seine eigene Geschichte. Exponate sind Träger von tiefergehenden Bedeutungsebenen: Einerseits zeigen sie, dass sie die Gegenwart in einem gewissen Zustand erreicht haben und werden damit zu Trägern der Spuren der Zeit; andererseits sind sie Quellen anhand derer man die Zeiten rekonstruieren kann, aus denen sie stammen. Somit werden Exponate in Ausstellungen zu Symbolen und stehen damit nicht nur für Gegenstände gleicher Klasse, sondern auch für historische Ereignisse und die gesellschaftlichen Schichten, aus denen sie entsprangen.

Unser geschichtlicher Wissensdurst ist in jeder Hinsicht auf die Archäologie und ihre Funde angewiesen; ohne sie können wir keine sicheren Rückschlüsse formulieren, die damalige Zeiten umreißen. Es gibt unzählige Museen auf der Welt und alle profitieren von den Schlussfolgerungen, die man dank der Archäologie heute formulieren kann – doch stehen wir erst einmal im Museum, vergessen wir allzu gerne die ungeheure Präzision, der es bedurfte, um diese Quellen zu erschließen und ihnen Informationen zu entlocken.
Wie wurden archäologische Funde entdeckt? Was für eine Systematik steht hinter dem Ausgrabungsprozess an sich? Was sind die Schwierigkeiten einer archäologischen Bergung? Was bedeutet »Ausgraben« im 21. Jhd.?
Haben sich die Techniken der Archäologie stark verändert? Wird es leichter Dinge zu finden, oder schwieriger und wenn ja warum? Sind viele „Wiesen“ bereits abgegrast? Tun sich auf der Welt neue Hot-Spots auf? Wohin gehören Funde und auf welche Reisen gehen sie?

All das sind Fragen, die in einem musealen Kontext ungemein spannend sind – warum sollte ein Museum, dass sich »archäologisches Landesmuseum« nennt, also nicht diesem Themenkomplex im Allgemeinen, als auch anhand eines Beispiels – das zumal noch vor der eigenen Haustüre liegt – widmen? Es bietet sich regelrecht an.

Wir sind, nachdem wir uns die Museumslandschaft regional-, als auch international, angeschaut haben, zu dem Schluss gelangt, dass es an der Zeit ist, dass sich ein Museum nicht nur mit den Funden der Ausgrabung(en) beschäftigen, sondern sich auch mit der Ausgrabungspraxis und ihrer Jahrhunderte alten Geschichte an sich auseinandersetzen sollte.
Nach dieser Einschätzung, wird die Ausgrabung zu unserem ersten konzeptuellen Schlüsselelement. Das später darauf aufbauende neue Museumskonzept schafft eine Diversifizierung gegenüber den konkurrierenden regionalen Museen – dies geschieht, da es einen neuartigen, bisher noch wenig aufgegriffenen Themenkomplex aufarbeiten und erklären wird. 
Ganz nebenbei wird auch noch die Stadtgeschichte im Allgemeinen erforscht und später dann ausgestellt werden können. Das Event der Ausgrabung soll eine nachhaltige Wirkung entfalten. Es wird das neue Projekt der Stadt, zu dem alle eingeladen sind. 

Workshops, Führungen, Aussichts- und mobilen Ausstellungselemente begleiten die Ausgrabung von Anfang an. Diese Maßnahmen sorgen dafür, dass die Bevölkerung nicht ausgeschlossen wird; Konstanzer und Touristen werden somit in die Ausgrabung eingebunden. Sie soll nicht hinter verschlossenen Bauzäunen, sondern in einem offenen Dialog mit den Anwohnern und Besuchern der Region stattfinden. 
Im Zentrum steht die Archäologie zusammen mit der Geschichte des Klosters Petershausen. Mithilfe neuester Technik und den erprobten Methoden der archäologischen Forschung wird sich für die Besucher ein Zeitfenster öffnen.
[1] Nach dem die Ausgrabung beendet wurde und die Gerüste abgebaut sind kann ein neuer Raum entstehen. 

[2] Dazu werden Fundamente, Boden, Wände und Stützen in die Grube eingebracht. Dadurch bildet sich, um die Fundstücke herum, unser zukünftiger Ausstellungsraum.

[3] Die Decke des neuen Raumes ist zugleich der neue Boden für den Platz. Im südlichen Bereich, über der ausgegrabenen Basilika wird der Grundriss der Klosterkirche als Glasbodenstücke eingelassen.

[4] An interessanten Stellen über der Ausstellung erheben sich Platten, die den neuen Platz dynamisch gestalten. Gleichzeitig wirken die Erhebungen als eine Vorahnung auf das, was sich unter dem Platz abspielt. Durch die Verglasung der Öffnungen hat der Besucher die Möglichkeit bereits vom Platz aus in die Ausstellung zu blicken. Der konservierte Bereich im Innenhof wird mit einer Rasenfläche bedeckt, die von den Besuchern genutzt werden kann.
Aus einer der Platten entsteht ein nach Süden ausgerichtetes Cafe, in dem sich aus der erhobenen Ebene eine weitere Platte erhebt und das begehbare Dach bildet. Gefasst wird das Cafe durch eine gläserne Fassade.

[5] Um einen erleichterten Zugang zum neu gestalteten Areal zu ermöglichen führt eine breite Treppe auf den Platz, die Richtung Sternenplatz ausgerichtet ist. Eine behindertengerechte Rampe führt von der entgegengesetzten Richtung auf den Platz. Treppe und Rampe treffen sich an der süd-östlichen Ecke des Cafés und der Blick des Besuchers wird direkt zum neuen Haupteingang des archäologischen Landesmuseums gelenkt.
Ein ganz neuer Ort ist entstanden, der sich durch seine vielen deutlichen Besonderheiten aber auch durch die kleinen Details auszeichnet. Die Grünflächen auf den angehobenen Platten laden zum Verweilen ein. Das Café stellt mit seiner Glasfassade einen Bezug zum bereits vorhandenen Schiffsbau des Museums her. Die Dachterasse bietet einen außergewöhnlichen Ort um den Platz noch einmal neu zu erleben und ermöglicht einen weiteren Blickwinkel auf die andere Seite des Seerheins. 
Insgesamt zeichnet sich der Platz durch eine klare Kantenführung aus, Richtung Altstadt, Sternenplatz und Unterführung. Dadurch wird der Schiffsbau in seiner Wirkung unterstützt und es ergibt sich eine deutliche Wegführung hin zum Museum. Für die Konstruktion der Platten wird Sichtbeton verwendet, die Geländer sind analog zu den Fassaden aus Glas und auf der Platzoberfläche werden Sandsteinplatten verlegt. 
So ergibt sich eine eher zurückhaltende Materialität, trotzdem heben sich die neuen Elemente von den bereits bestehenden Gebäuden ab. Sobald es dunkel wird, werden die Fassaden der Gebäude aus dem Rand der Platzplatte angestrahlt und erhalten so eine neue Wertigkeit.
Sobald die Ausgrabung beendet ist und der Aufbau des Platzes und der Ausstellung beginnt, wird die Gestaltung beruhigt. Es wirken jetzt hauptsächlich die zwei Grautöne zusammen mit dem Cyan und Weiß um ein geordnetes und seriöses Gesamtbild zu erzeugen. Die Erdtöne werden als Schmuckfarben verwendet. Die Plakate weisen auf die Eröffnung einer Ausstellung auf dem Gelände des Archäologischen Landesmuseums hin, ebenso die Website. Dort bekommt man alle nötigen Informationen über das Museum. 
Die App wird um neue Funktionen erweitert. An verschiedenen Stellen auf dem Gelände kann man nun mit ihr eine Zeitreise starten und die Basilika des Klosters virtuell erkunden. In der Ausstellung gibt es außerdem an einigen Stellen die Möglichkeit mit Hilfe der App zusätzliche Interaktionen zu erleben.
Ein Kernelement des neuen Museumsabschnitts ist das Ausstellungsmodul, das aus der originalen Petershausener Grabungsschicht stammt. Es zeigt den Ablauf, die Dynamik und die Prozesse einer Ausgrabung – quasi vom ersten Spatenstich an, bis deren Ende. Per Hand verschiebbare transluzente Bildschirme wirken als Zeitfenster: Sie ermöglichen ein Zurückreisen in die Grabungsphase und erzählen die Ausgrabungssystematik anhand der Petershausener Ausgrabung. 
Durch die Position des Zeitfensters bestimmt der Ausstellungsbesucher den Grabungsausschnitt, den er sich genauer erklären lassen möchte; durch Einblendung von Ausgrabungszenen aus der Petershausener Ausgrabung wird ihm die Geschichte individuell und in seiner eigenen mentalen Geschwindigkeit erzählt. 
Zusätzlich zur zeitlichen Navigation nach rechts oder links, stehen ihm weitere Inhalte zur Verfügung, die er nach Belieben hinzuschalten kann: Unter anderem kann er Ausschnitte des Zeitfensters an der dahinterliegenden Rückwand vergrößert ablaufen, sich wissenschaftliche Begriffe aus dem Forschungskontext erklären und wichtige Gerätschaften einblenden lassen. Anhand der Zeitfenster ist es somit jedem Besucher, der bisher noch keiner Ausgrabung beiwohnen konnte möglich, diese nah und realistisch kommentiert zu bekommen.
Wenn man sich im Bereich der Ausstellung befindet, erscheint zunächst die Aufforderung sich an einer der Stationen einzuloggen. Geht man dorthin und tippt auf das Symbol, erkennt die App wo man sich befindet uns lädt automatisch die passende Anwendung.

Die Ausgrabung kann man, wie bei den Zeitfenstern, auch auf seinem Handy betrachten. Durch Augmented Reality sieht man auf der realen Ausgrabungsfläche, was in Petershausen während der Ausgrabung geschah. Man kann sich frei am Ausgrabungsfeld bewegen und alles auch im Vollbildmodus genießen. Zur Erinnerung kann man sich durch tippen auf das Kamera Symbol ein Foto des aktuellen Ausschnittes abspeichern. 

Auch die Informationsartikel und Begriffserklärungen können durch tippen auf das Herz Symbol abgespeichert werden, um das Erlebnis mit nach Hause nehmen zu können. Zusätzlich dazu können Gegenstände im Bild auftauchen, die man sammeln kann, um sich später im Verlauf der Ausstellung zu den Originalen im Archiv führen zu lassen.
Die linke Seite des Ausstellungskomplexes ist durch eine großflächige Verglasung der Seitenwand charakterisiert; sie bildet ein weiteres zentrales Ausstellungsmodul: es ist die sogenannte »Smartwall«. Sie ermöglicht einen Blick auf die Petershausener Grabungsschicht an sich. 
Da die Stratigrafie eines der wesentlichsten Prinzipien der archäologischen Methodik ist, kann man sich ihre Funktions- und Anwendungsweise direkt auf der projizierten Wand erklären lassen. Die Smartwall ist in der Lage unterschiedliche Modi anzubieten. Man kann fragen an Archäologen der vergangenen Ausgrabung stellen und sich diese beantworten lassen; des Weiteren ist es möglich sich die Stratigrafische Methode direkt am Beispiel der vorhandenen Schicht erläutern zu lassen. 
Die Smartwall verfügt ebenfalls über eine Zeitfensterfunktion und kann den Museumsbesucher zurück in den damaligen Ausgrabungsverlauf versetzen; so ist es an der Smartwall möglich durch den kompletten Innenhof zur Zeit der Ausgrabung zu navigieren. Als letzte Funktion kann man sich mit der Smartwall auf eigene Spurensuche in den Schichten begeben und nach Funden der Ausgrabung suchen; findet man diese werden sie einem im Rücken des Besuchers in Vitrinen durch ein Lichtband das zu ihnen führt gezeigt.

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